Mark Dion's "Xylothek (Holzbibliothek)" im Ottoneum, Naturkundemuseum Kassel. documenta 13, 2012. Fotos: Stella Veciana.
Präsentation des "Bund-Länder-Eckpunktepapier zu den Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft" im Naturkundemuseum Berlin, 12. Dezember 2012. Fotos: Stella Veciana.
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Forschung(sobjekte) generieren und ausstellen: Vom Kuriositätenkabinett zu den Forschungsmuseen
Aus dem 18. Jahrhundert, stammt die "Xylothek" (Holzbibliothek) von Carl Schildbach des Kasseler Naturkundemuseums. Sie besteht aus 530 "Büchern". Jedes Holzbuch ist aus einer einheimischen Baumart gefertigt. Die Rinde dient als Buchrücken und die getrockneten bzw. aus Wachs nachgebildeten Pflanzenteile werden im Inneren des Buchrahmens "ausgestellt".
Joachim Heinrich Campe gibt eine interessante Beschreibung seines Zeitgenossen Schildbach: "Dieser mir merkwürdige Mann hat weder Erziehung, noch gelehrte Kenntnisse von irgendeiner Art gehabt, und doch hat er sich in der Naturgeschichte und in der Naturlehre ganz durch eigenen Fleiß und ohne alle Hilfsmittel Kenntnisse und Geschicklichkeit zu erwerben gewusst, welche einem Gelehrten Ehre machen würde. Er ist dabei ein geborener Künstler, ohne soviel ich weiß - eine Kunst von andern gelernt oder berufsmäßig betrieben zu haben. Alles, was seine lebhafte Einbildungskraft ihm vormalt, das weiß er auch auf irgend eine Art künstlich darzustellen." Nach dieser Quelle ist es also kein naturkundlicher Gelehrte, sondern ein interessierter Autodidakt mit künstlerischen Fähigkeiten, der Einzug in einen wissenschaftlich-musealen "Elfenbeinturm" gefunden hat. Welcher Voraussetzungen und Legitimation bedarf der interessierte "Zeitgenosse" um (systematisches) Wissen zu generieren, verständlich zu gestalten und öffentlich zu machen?
2012, auf der documenta 13, präsentiert Mark Dion (*1961, New Bedford, Mass. USA) Schildbachs' Holzbibliothek in einem sechseckigen Eichenholzkabinett. Dabei lässt die Eiche an die ökologische Stadtintervention "7000 Eichen" von Beuys der documentas 7 und 8 (1982 - 1987) denken. Die Präsentationsform in einem Kabinett wiederum, verweist auf den historischen Vorläufer des Naturkunde-museums, das Raritäten- oder Kuriositätenkabinett. In diesem Kabinett setzt Dion das Forschungsobjekt "Baum" neu in Szene. Ferner ergänzt er die Sammlung mit sechs weiteren Büchern aus anderen Kontinenten. Auf diese Art und Weise stellt er museale und wissenschaftliche Sammlungs- bzw. Klassifikationssysteme in Frage. Welche wissenschaftliche Ordnungssysteme, Modelle des Archivierens bzw. Präsentationsarchitekturen sind für eine zeitgemäße Wissenschaftskommunikation relevant? Über welche sollten wir verfügen können?
Das Kuriositätenkabinett als "sich anhäufender Sammelbehälter von Forschungsobjekten" weicht im 19. Jhd. den systematisierten Wissensarchiven der Naturkundesammlungen mit zunehmend wissenschaftlichem Anspruch. Anfang des 21. Jhd steht das Modell der "Forschungsmuseen" zur Debatte. Am 12. Dezember 2012, fand im Naturkundemuseum Berlin ein parlamentarischer Abend mit dem Motto "Museen als Brücken von der Forschung zur Bildung" statt. Dort stellte der Direktor des Museums, Dr. Johannes Vogel, gemeinsam mit Thomas Raches (Parlamentarischer Staatssekretär BMBF), Dr. Karl-Ulrich Mayer (Präsident der Leibniz-Gemeinschaft), Dr. Volker Rodekamp (Präsident des Deutschen Museumsbundes) und Dr. Wiebke Ahrndt (Vizepräsidentin des Deutschen Museumsbundes) das "Bund-Länder-Eckpunktepapier zu den Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft (WGL)" vor. Erläutert wurde ein wissenschaftspolitischer Orientierungsrahmen für eine künftig wissenschaftliche Arbeit in Museen der WGL, die "zur Stärkung des Bildungs- und Wissenschaftsstandortes Deutschland beizutragen" beitragen soll. Als die vier relevantesten Leitlinien zur Entwicklung der zukünftigen Handlungsfelder der Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft werden folgende erachtet:
- Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft als originäre Orte von Wissenschaft und Forschung
- Museumssammlungen als Forschungsinfrastruktur für Forschende aus aller Welt
- Museen als Brücke von der Forschung zur Bildung
- Wechselwirkungen von verschiedenen Arbeitsbereichen und Synergien zwischen den Forschungsmuseen
Wir wollen hier nur auf den 3. Punkt eingehen, zu dem Bereiche gezählt werden wie die Wissenschaftskommunikation, der (fachbezogene) Wissenstransfer, die Wissensvermittlung, der "kritische Dialog" und die Beratung zu gesellschaftlich relevanten Themen. Dabei werden folgende Handlungsfelder aufgezeigt:
- Die Mitwirkung der Forschungsmuseen in den "Wissenschaftsjahren"
- Die öffentliche Einbindung der Forschungsmuseen in das Thema "Innovations- und Technikvorausschau"
- Die Entwicklung von Maßnahmen, um junge Menschen und bildungsferne Schichten für Wissenschaft zu gewinnen“
- Die Verknüpfung von regionaler Verwurzelung der Forschungs-museen mit regionalen Bildungsinitiativen
- Der spezifische Beitrag der Museen zum Thema "Forschung, Wissenschaft und Technik als Kulturgut"
- Die Stärkung der Nachhaltigkeit des Wissenstransfers: Langfristige und breite Verfügbarkeit des Wissens
- Fachbezogener Wissenstransfer
- Neue Formen des Wissensvermittlung
- Dauerausstellungen als Schaufenster der Forschung
- Eigenen Themensetzungen der Forschungsmuseen in der Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Volker Rodekamp betonte in seiner Rede, Deutschland benötige nicht mehr (neue) Museen, sondern zeitgemäßere, leistungsfähigere, d.h. "fit gemachte" (alte) Museen: "mit Standards, die wir aus uns selbst heraus entwickeln; mit Bedürfnissen, die wir selbst formulieren; mit Exzellenzkriterien, die die wissenschaftliche Qualität messbar machen; mit einer Zuwendung an Bedeutung, die uns mehr politisches Gewicht gibt; mit einer Vermittlungsarbeit, die die Menschen bewegt; mit einer Zielgruppen-kenntnis, die eine erhöhte Wirkung erzielt"... Dies benötige natürlich die entsprechende Finanzierung und Infrastruktur.
Wie könnte eine "zeitgemäßere" Wissenschafts- und Wissens-kommunikation (von Museen und Kunstinstitutionen) aussehen, die ihre "Zielgruppen" nicht durch eine Marktstudie definiert, sondern aktiv in ihre Arbeitsmethode integriert? Die herausfordernde Aufgabe der "Übersetzungsarbeit" zwischen Wissenschaft und Gesellschaft wirft auch die Frage nach der Partizipation im Wissenschafts- und Kunstsystem auf: die Frage nach der Beteiligung der einst "Ungelehrt", und die wir heute auch als die "Experten des Alltags" bezeichnen. Welche Ansprüche hätte eine Research Arts Community an ein Naturkundemuseum, an ein Forschungsmuseum, an Kultur-institutionen überhaupt? Welche Forderungen würde sie an die Wissenschaftspolitik stellen?
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